Vyacheslav Lochmann ist der Trainer der ukrainischen Handball-Nationalmannschaft. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Sebastian Gollnow/dpa)

Ein Jahr nach dem Ausbruch des russischen Angriffskrieges in der Ukraine leben die Handballer des ukrainischen Serienmeisters Motor Saporischschja immer noch in zwei unterschiedlichen Gefühlswelten.

Zum einen empfinden die Schützlinge des litauischen Trainers Gintaras Savukynas Dankbarkeit und Erleichterung dem Krieg entkommen zu sein und in Deutschland ihren Sport ausüben zu können. Zum anderen treibt sie täglich die Sorge um Familienangehörige in der Heimat und ihre eigene Zukunft um.

«Wir sind einerseits glücklich, dass wir das Team halten konnten und im Wettbewerb sind. Aber natürlich leiden die Spieler auch, weil Familien und Freunde immer noch in der Ukraine sind. Da ist es nicht einfach, jeden Moment und jeden Tag die Konzentration zu behalten», berichtete Savukynas in einem Gespräch der Deutschen Presse-Agentur.

Hinzu kommt die Ungewissheit, wie es ab Sommer weitergeht. Denn eine Verlängerung der für diese Saison erfolgten Eingliederung in die 2. Bundesliga sei momentan «kein Thema», sagte HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann der Deutschen Presse-Agentur. «Das würde auch deutlich schwerer, weil wir wieder zum Format mit 18 Mannschaften zurückkehren.»

Ukrainisches Team lebt und trainiert in Düsseldorf

Im vergangenen Sommer hatte die Handball-Bundesliga GmbH beschlossen, Saporischschja als 20. Mannschaft in den Spielbetrieb der 2. Liga zu integrieren. Dort nehmen die Ukrainer, die in Düsseldorf leben und trainieren, außer Konkurrenz teil. Alle ihre Partien werden am Saisonende aus der Tabelle herausgerechnet.

Eine Fortsetzung des Modells erscheint zum jetzigen Stand eher unwahrscheinlich, zumal es beim Verein einige strukturelle Veränderungen gegeben hat. «Die sind jetzt unter den Fittichen des ukrainischen Verteidigungsministeriums. Da gibt es momentan wenig Klarheit und ist einiges in der Schwebe», berichtete Bohmann. 

Kein Wunder, dass sich Savukynas bedeckt hält, was mögliche sportliche Perspektiven für seine Mannschaft angeht. «Es ist sehr schwierig, über die Zukunft zu reden. Natürlich haben wir Visionen, wie es weitergehen könnte. Aber das hängt auch vom Management ab», sagte der Trainer des neunmaligen Titelträgers. 

Etwas deutlicher wird der ukrainische Nationaltrainer Vyacheslav Lochmann, der in Personalunion auch Coach des Zweitligisten TV Großwallstadt ist. «Ich weiß, dass Verhandlungen über eine weitere Zusammenarbeit mit der Bundesliga laufen. Aber das ist auch abhängig von den Sponsoren der Mannschaft, da der Aufenthalt und Spielbetrieb natürlich sehr teuer ist», sagte der 45-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. 

Bohmann: Team sei zum «Spielball der Situation geworden»

Nach Ansicht von Savukynas sei es für den Club und das gesamte Land wichtig, dass man sich in der 2. Bundesliga zeigen könne. Auch Lochmann begrüßt das. «Die Tatsache, dass Motor in Deutschland spielt, ist sehr gut für den ukrainischen Handball. Dadurch haben auch die Nationalspieler eine gute Spielpraxis», sagte er. 

Bohmann sieht das etwas differenzierter. Die sportlichen Aspekte hätten im bisherigen Saisonverlauf «sehr gelitten», sagte er. Saporischschja belegt mit nur sechs Siegen lediglich den 17. Tabellenplatz. «Das ist aber sekundär», betonte der HBL-Geschäftsführer. Das Team sei zum «Spielball der Situation geworden, die viele Spieler sehr belastet. Viele haben Zweifel und Sorgen», sagte der 58-Jährige. Daran wird sich so schnell wohl nichts ändern.

Eric Dobias und Nicolas Sowa, dpa

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