Hat eine Vorliebe für auffällige Oberteile: Bob Hanning. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa)

Bob Hanning steht vor seiner letzten Weltmeisterschaft als Vizepräsident des Deutschen Handballbundes (DHB).

Was sich der gleichermaßen emsige wie streitbare Funktionär vom Turnier in Ägypten erhofft, welche Sorgen er sich macht und was er von der Mannschaft fordert, erzählt er im Interview der Deutschen Presse-Agentur.

Frage: Herr Hanning, nach über sieben Jahren stehen Sie vor ihrer letzten WM als DHB-Funktionär. Können sich die Handball-Fans noch einmal auf ganz besondere Pullover von Ihnen freuen?

Bob Hanning: (lacht) Da ich kein Internetkäufer bin und somit gewissermaßen zur alten Schule gehöre, ist der Kauf neuer Kleidung zuletzt eingeschränkt gewesen. Aber das eine oder andere besondere Stück wird es vermutlich schon noch geben. Es wird wie immer bunt.

Frage: Im Ernst, verspüren Sie Wehmut vor Ihrer letzten WM?

Nein, man kommt in den heutigen Tagen auch gar nicht dazu, darüber nachzudenken. Es war immer mein Ziel, dem Handball zu dienen. Ich freue mich jetzt richtig darauf, weil es für mich die WM der Möglichkeiten ist. Nach den ganzen Absagen gibt uns dieses Turnier die riesige Möglichkeit, dass junge Spieler sich entwickeln können.

Frage: Sie galten in über sieben Jahren als der mächtigste, bekannteste, eifrigste, aber auch umstrittenste Funktionär im deutschen Handball. Werden auch einige Menschen beim DHB froh sein, Sie künftig nicht mehr ertragen zu müssen?

(lacht) Ja, das glaube ich ganz bestimmt. Das ist auch in Ordnung. Ich denke aber auch, dass viele eine vielschichtige Meinung von mir haben. Das eine betrifft meinen öffentlichen Auftritt, das andere den inhaltlichen Aspekt. Und der ist, glaube ich, immer von allen sehr geschätzt worden.

Frage: Bis zum Sommer sind Sie ja noch da. Aber wer soll denn Ihre Fußstapfen beim DHB künftig füllen?

Ich glaube, dass wir ordentlich aufgestellt sind. Es geht jetzt nur noch an die kleinen Räder, die großen sind alle im Fluss. Ich bin der festen Überzeugung, dass das auch in Zukunft läuft. Ich werde sicher nicht zu den Menschen gehören, die später erzählen, was die anderen alles besser machen müssen.

Frage: Würden Sie dem Verband denn noch beratend zur Seite stehen?

Ich bin immer bereit, falls gewünscht, auch in Zukunft bei bestimmten Themenfeldern mitzuarbeiten. Ich bin ein Kind des DHB.

Frage: Sie haben die Ziele für die Nationalmannschaft immer offensiv formuliert. Eines davon ist die Goldmedaille bei Olympia im Sommer. Bleiben Sie dabei?

Wir haben das vor sieben Jahren formuliert, weil wir die Menschen wieder hinter unserer Sportart vereinen wollten. Ich halte das nach wie vor für realisierbar. Aber es heißt ja, man soll das Fell des Bären nicht verteilen, bevor er erlegt ist. Darum müssen wir uns jetzt erstmal qualifizieren. Dennoch halte ich das Ziel aufrecht. Und wenn es dann nur Silber wird, soll man es mir nachsehen.

Frage: Was war Ihr schönstes Erlebnis beim DHB?

Der Europameistertitel 2016, ganz klar.

Frage: Und welche Entscheidung bereuen Sie am meisten?

Was mir am meisten wehtat, war mein Scheitern mit der Idee von Christian Prokop.

Frage: Prokop wurde vor knapp einem Jahr als Bundestrainer beurlaubt und hat beim DHB noch einen Vertrag bis 2022. Ist die damals von Ihnen mit ausgehandelte Laufzeit jetzt doppelt ärgerlich, weil Prokop den Verband in der Corona-Krise zusätzliches Geld kostet?

Wir sind finanziell so gut aufgestellt, dass es uns auch aufgrund der wirtschaftlichen Erfolge durch die Heim-WM 2019 nicht so stark belastet. Mich belastet es eher emotional.

Frage: Schauen wir auf die bevorstehende WM in Ägypten. Sie finden es nicht so schlimm, dass so viele Stammkräfte fehlen, weil sich so die jungen Spieler mit Blick auf Olympia zeigen können. Ist die WM also nur eine Art Aufwärmprogramm für die Spiele in Tokio?

Nein, eine WM hat eine unheimlich große Bedeutung. Wir wollen mit den Spielern, die da sind, das Bestmögliche erreichen. Eine deutsche Mannschaft muss immer den Anspruch haben, sich in die K.o.-Phase eines Turniers zu spielen. Natürlich gibt es Mannschaften, die nominell besser besetzt sind als unsere. Aber das heißt ja nicht, dass man das nicht mit Leidenschaft ausgleichen kann. Leidenschaft beinhaltet ja auch das Wort leiden, und wenn unsere Mannschaft dazu bereit ist, ist vieles drin. Auch das Halbfinale.

Frage: Auch vor der erfolgreichen EM 2016 hatte es viele Absagen gegeben. Gefällt Ihnen der Vergleich von heute zu damals?

Nein. 2016 war etwas Besonderes. Man sollte diese Situationen nicht miteinander vergleichen. Wenn das jedes Jahr gelingen würde, dann gäbe es nicht die Rekord-Weltmeister und Rekord-Olympiasieger.

Frage: Torwart Andreas Wolff hat Spieler wie Hendrik Pekeler oder Patrick Wiencek öffentlich für ihre familiär begründeten WM-Absagen kritisiert. Wie hat Ihnen das gefallen?

Man nimmt Andreas Wolff so wie er ist, oder man nimmt ihn gar nicht. Er hat diese Meinung nicht exklusiv. Es ist wie so oft im Leben: Ich kann Andreas verstehen, ich kann aber auch Alfred Gislason (Bundestrainer, Anm. d. Red.) verstehen, der zum jetzigen Zeitpunkt eine solche Diskussion nicht gebrauchen kann. Und zum dritten kann ich auch die Spieler verstehen, die diese Entscheidung getroffen haben. Ich akzeptiere das.

Frage: Nicht nur wegen der coronabedingten Absagen mehrerer Nationalspieler gab es viele Diskussionen um diese WM. Warum wäre es für den Handball so schlimm gewesen, sie ausfallen zu lassen?

Erstmal kann ich alle verstehen, die einen kritischen Blick auf Großveranstaltungen in dieser Zeit haben. Aber für den DHB ist es in vielerlei Hinsicht wichtig, dass dieses Turnier stattfindet. Zum einen aus wirtschaftlichen Gründen, weil die WM dringend benötigtes Geld in unsere Kassen spült. Noch wichtiger ist aber die Sichtbarkeit unserer Sportart über mehrere Wochen. Wenn wir später nicht nur noch Fußball im Fernsehen haben wollen, dann brauchen wir zwingend die Handball-Nationalmannschaft als Aushängeschild.

Frage: Können Sie mal ein Beispiel geben?

Ein Bundesligaspiel zwischen den Füchsen Berlin und Erlangen interessiert vielleicht 10.000 Menschen. Und die deutsche Nationalmannschaft gegen Spanien interessiert zehn Millionen. Wir müssen weiter Menschen vor die Fernseher ziehen und die Jugendlichen dabei behalten. Wir müssen riesengroße Austrittswellen in unserer Sportart verhindern. Darum ist das Turnier elementar wichtig.

Frage: Trotzdem sorgen sich viele Bundesligisten, dass ihre Spieler mit Corona-Infektionen aus Ägypten zurückkehren und dadurch der Spielplan noch mehr unter Druck gerät.

Die Sorgen sind natürlich berechtigt. Es wird auch Corona-Fälle bei dieser WM geben, wie es sie gesellschaftlich gerade überall gibt. Aber das Risiko in einer funktionierenden WM-Blase ist nicht größer, als wenn Bayern München zu einem Champions-League-Spiel fliegt. Ob das in Ägypten alles funktioniert, werden wir dann erst sehen. Man kann nicht ausschließen, dass was passiert. Es geht jetzt darum, das Risiko maximal zu minimieren.

Frage: Wann ist diese WM für Sie eine erfolgreiche?

Wenn wir alle gesund nach Hause kommen und wir den Menschen in Deutschland Freude gemacht haben.

ZUR PERSON: Neben seinem Job als Geschäftsführer der Füchse Berlin arbeitet Bob Hanning (52) seit 2013 als Vizepräsident des Deutschen Handballbundes (DHB). Nach Olympia hört er beim DHB auf. Stattdessen strebt er nach einer Funktion im europäischen Verband.

Interview: Nils Bastek, dpa

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